EU-Urheberrechtsreform: Es geht um unsere Meinungsfreiheit!

fotoDie aktuelle Debatte über die europäische Urheberrechtsreform zeigt: Wir reden viel zu selten über Europapolitik! Es wird höchste Zeit, dass wir ein modernes, europaweites Urheberrecht bekommen. Doch die derzeitige Fassung der Reform will zwar das Richtige, tut aber das Falsche. Die Folgen wären verheerend für die freie Netzkultur und unsere Meinungsfreiheit.

Ein Beitrag von unserer Bezirksvorsitzenden Juliane Hüttl

Was bisher geschah

Nachdem vor der Sommerpause der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) für die aktuelle Fassung der EU-Urheberrechtsreform stimmte, kam es zu Protestwellen und es hagelte fraktionsübergreifend Kritik. Diese richtete sich vor allem gegen die Artikel 11 und 13 der Reform, die zum Einen eine europaweite Filterung von Inhalten bereits VOR der Veröffentlichung (sogenannte Upload-Filter) und zum Anderen ein europäisches Leistungsschutzrecht nach sich ziehen würden.
Das Europäische Parlament kippte die Entscheidung des Rechtsausschusses wieder- nun geht es nach der Sommerpause in die zweite Runde. Doch mit gegenseitigen Vorwürfen der „Beschwörung von Untergangszenarien“ bis hin zu „Desinformationskampagnen“ scheinen Kritiker und Befürworter der aktuellen Fassung unversöhnlich.

Leistungsschutzrecht, echt jetzt?

Die Debatte über das Leistungsschutzrecht ist keine neue, in Deutschland gilt ein ähnliches Gesetz bereits seit 2013 (leider mit Unterstützung der FDP). Das Leistungsschutzrecht hat zum Ziel, dass Suchmaschinen (hier ist vor allem Google gemeint), Presseverlage an ihren Einnahmen beteiligen, wenn in ihren Suchergebnissen Artikel verlinkt werden und Textausschnitte in der Vorschau erscheinen. Doch das Gesetz ist phänomenal gescheitert- allein die Prozesskosten der Verlage übersteigen die geforderten Einnahmen um ein Vielfaches.

In Spanien hat ein ähnliches Gesetz übrigens dazu geführt, dass Google seinen Dienst „Google News“ schlicht eingestellt hat- mit desaströsen Folgen für Nachrichtenseiten. Denn wer heutzutage nicht auf Google gefunden wird, wird auch nicht gelesen. Die Leserzahlen sind massiv eingebrochen, was zusätzliche Einnahmeeinbußen für die Presseverlage nach sich zog.

Angeblich geht es beim Leistungsschutzrecht darum, Künstlern, Journalisten und Kreativen die Möglichkeit zu geben, über die Verbreitung ihrer Werke selbst zu bestimmen. Tatsächlich ist dieses Gesetz einzig und allein aus einem Dissens zwischen Google und einigen großen Presseverlagen entstanden. Es ist aber nicht Aufgabe der Politik, veraltete Geschäftsmodelle künstlich am Leben zu halten.

Eine Idee, wie man es Kreativen leichter machen kann, die Verbreitung ihrer Inhalte steuern und regeln zu können, wurde schon 2012 vom FDP-Abgeordneten Jimmy Schulz in die Debatte eingebracht: Bereits jetzt gibt es für Betreiber von Webseiten eine technische Möglichkeit Suchmaschinen anzuzeigen, dass sie nicht gefunden werden möchten. Die sogenannte „robots.txt“-Datei kann einfach und ohne große technische Vorkenntnisse erzeugt. Mit ihr bestimmen die Betreiber von Blogs oder Nachrichtenseiten, was eine Suchmaschine in den Suchergebnissen anzeigt. Derzeit gibt es jedoch keinen Rechtsanspruch auf Berücksichtigung dieser Datei (Google tut dies übrigens!)- das müssen wir ändern. Man könnte dieses Konzept sogar noch weiter ausbauen und durch Standardisierung den Betreibern von Websites die Möglichkeit geben, ganz konkret zu definieren, wo welche Inhalte von ihnen angezeigt werden dürfen. So könnte man es allen Kreativen, nicht nur den Verlagen, ermöglichen, selbst über die Verbreitung ihrer Werke zu bestimmen.

Upload-Filter – was ist das schon wieder?

Noch weitergehende Konsequenzen befürchten viele Experten und Aktivisten allerdings durch den Artikel 13 der Urheberrechtsreform. Dieser bereitet den Weg für die Implementierung sogenannter Upload-Filter. Online-Plattformen, wie bspw. YouTube, sollen dafür haftbar gemacht werden, wenn Nutzer Inhalte hochladen, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Derzeit sind die Plattformen erst haftbar, wenn sie auf einen Rechtsverstoß aufmerksam gemacht wurden („Notice-and-Take-Down“), zukünftig sollen sie es aber bereits mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung sein.

Daher muss ein automatisiertes Verfahren eingeführt werden, das Inhalte von Nutzern bereits VOR Veröffentlichung filtert und im Zweifel blockt. Ansonsten riskieren die Unternehmen heftige Geldstrafen. Solche Filter sind aber nicht in der Lage, Satire, Zitate oder Parodien zu erkennen. Es ist technisch nicht möglich, legale und illegale Inhalte im Internet automatisiert zu unterscheiden. Somit kommt es zur Blockierung legaler Inhalte – und das ist nicht hinnehmbar. Die Einführung von Upload-Filtern käme einer automatisierten Zensur im digitalen Raum gleich.

Bereits jetzt gibt es Beispiele, wo automatisierte Filterung zur Blockierung legaler Inhalte führte. So hatte bspw. der Fernsehsender RTL Ausschnitte eines YouTube-Videos, dass sich kritisch zur TV-Serie „Germany’s Next Topmodel“ äußerte, in einem Nachrichtenbeitrag gezeigt. Anschließend wurde der Beitrag mit einem digitalen Fingerabdruck versehen und als urheberrechtlich geschütztes Material bei YouTube hochgeladen. Die Folge: YouTube sperrte das Original-Video, das RTL nur zitiert hatte, auf ihrer Plattform. Der Filter konnte nicht unterscheiden zwischen Original und Kopie.

Anstatt eine solche Zensurinfrastruktur zu schaffen, die nicht nur unsere freie Netzkultur sondern auch unsere Meinungsfreiheit gefährdet, sollte vielmehr das „Notice-and-Take-Down“-Verfahren effizienter umgesetzt werden.

Und was nun?

Im September wird die EU-Urheberrechtsreform erneut im Europäischen Parlament besprochen. Die FDP-Abgeordneten werden sowohl im EP als auch im Deutschen Bundestag dafür kämpfen, dass die EU-Urheberrechtsreform mindestens ohne Upload-Filter beschlossen wird. Es wird interessierte Gruppen geben, die behaupten, jeder der gegen Upload-Filter ist, würde nur die Interessen der großen Plattformbetreiber vertreten. Doch lassen wir uns nicht täuschen: Hier geht es nicht um Google, Facebook oder „Plattformkapitalismus“. Es geht um Meinungsfreiheit.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich anschaut, welche Überwachungsfantasien Upload-Filter schon jetzt anregen. Im Moment mag es „nur“ um Urheberrechtsverstöße gehen. Doch es gibt bereits konkrete Vorschläge, die Technologie zur Bekämpfung von Hate Speech und Fake News einzusetzen. Das gäbe theoretisch jeder europäischen Regierung – der deutschen wie der italienischen, der französischen wie der ungarischen – die Möglichkeit, ihre eigene Definition von Hate Speech und Fake News automatisiert durchzusetzen. Lassen wir es nicht soweit kommen.

Juliane Hüttl